Gedanken zum Evangelium

Künzing - Wallerdorf - Forsthart

Ja, ich bin ein König

 

Ich liebe den Vers 4 aus Psalm 99 in der Bibel. Besser kann die Macht nicht benannt werden: „Die Macht eines Königs ist das Recht, das er liebt.“ Macht ist den Herrschenden gegeben, damit sie dem Recht zur Geltung verhelfen.

 

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium

vom 23. November 2025

 

Im Gespräch zwischen Pontius Pilatus und Jesus geht es um die großen Fragen: Was ist Macht? Was ist Wahrheit? Woher kommt die Macht? Wer gibt sie? Wozu dient sie? Jesus steht als Gefangener vor Pilatus, dem Vertreter des mächtigsten Herrschers der damaligen Welt, des Kaisers von Rom. Jesus ist angeklagt. Seine Kläger fordern lautstark seinen Tod. Pilatus sagt zu Jesus: „Bist du der König der Juden?“ Jesu Antwort: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.“ Pilatus zu Jesus: „Also bist du doch ein König?“ Jesus: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Pilatus zu Jesus: „Was ist Wahrheit?“

 

Pilatus findet keinen Grund, Jesus zu verurteilen, hat aber auch nicht den Mut, Jesus freizulassen. So lässt er ihn geißeln. Dem „König der Juden“ setzen die Soldaten eine Krone auf. Sie ist aus Dornen geflochten. Ein purpurroter Mantel ergänzt die Maskerade. So führt ihn Pilatus den Leuten vor: „Seht, der Mensch!“ Pilatus zum schweigenden Jesus: „Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen?“ Jesus zu Pilatus: „Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre.“ Pilatus hat von seiner Macht Gebrauch gemacht: „Da lieferte er ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde.“

 

Ich liebe den Vers 4 aus Psalm 99 in der Bibel. Besser kann die Macht nicht benannt werden: „Die Macht eines Königs ist das Recht, das er liebt.“ Macht ist den Herrschenden gegeben, damit sie dem Recht zur Geltung verhelfen. Die Liebe zum Recht macht aus dem König den Beschützer der Rechtlosen, denen andere Mächtige die Gerechtigkeit vorenthalten. Das wussten die Menschen seit eh und je. Deshalb sahen sie in einem gerechten Herrscher einen guten Hirten.

 

Heute ist der Christkönig-Sonntag. Wie sieht ein Königtum aus, das nicht von dieser Welt ist? Jesus wird als Auferstandener sagen: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf Erden.“ Welcher Art ist diese Vollmacht? Das Christkönigsfest wurde 1925 von Papst Pius XI. eingeführt, zu einer Zeit, als die Kirche praktisch keine weltliche Macht mehr hatte. In der Zeit des Nationalsozialismus war das Bekenntnis zu Christus dem König ein mutiges Zeichen. Wer nicht von Hitler das Heil erwartete, sondern von Jesus Christus, wurde als gefährlich eingestuft und deshalb verfolgt. Niemand, auch kein Diktator, hat seine Macht aus eigener Vollmacht. Sie ist immer nur anvertraut. Daran hat Jesus den Pilatus erinnert.

 

Wie sieht das Königtum Jesu aus? Das kommt in dem Dialog zum Ausdruck, der das heutige Evangelium so unvergleichlich macht. Die Aufschrift am Kreuz drückt zugleich den Spott und die Wahrheit über ihn aus: „Das ist der König der Juden.“ Sieht ein König so aus? Höchstens ein kläglich gescheiterter. Einer der beiden Mitgekreuzigten bleibt für immer der Zeuge des wahren Königtums Jesu. Mit dem Tod endet alle irdische Macht, ob groß oder klein. Im Grab hat kein König Macht. Jesus hat kein Königsgrab. Er lebt! Sein Reich ist nicht von dieser Welt. „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Keine Macht der Welt kann geben, worüber Jesus verfügt: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

 

 

 

 Quelle: Kardinal Christoph Schönborn, Wien
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