Gedanken zum Evangelium

Mit leichtem Gepäck

 

 

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium

vom 14. Juli 2024

 

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 14. Juli 2024

Eigentlich sollen sie gar nichts mit auf den Weg nehmen, nur einen Wanderstab. So wollte es Jesus, als er zum ersten Mal seine zwölf Apostel aussandte: keinen Essensvorrat, kein Geld, keine Wechselkleidung. Unser Urlaubsgepäck sieht anders aus, meist viel mehr als wir wirklich brauchen. Aber die Apostel brachen nicht in den Urlaub auf. Auch Dienstreisen sehen heute anders aus. So mittellos wie die Apostel sind heute nur Flüchtlinge und Obdachlose unterwegs.

Ich versuche mir vorzustellen, wie diese erste Mission der Apostel praktisch aussah. Ganz ungewöhnlich dürfte sie nicht gewesen sein. Jahrtausendelang sind die Menschen vor allem zu Fuß unterwegs gewesen. Je leichter das Gepäck war, desto unbelasteter die Reise. Keine Spur von der Flut an Koffern und Taschen, mit denen wir heute per Auto, Zug oder Flugzeug reisen. Noch etwas war anders: Die Gastfreundschaft gehörte zur Grundhaltung in einer Gesellschaft, in der der Fremde völlig darauf angewiesen war, Aufnahme zu finden. Jesus setzt einfach voraus, dass seine Abgesandten in den meisten Häusern gastlich aufgenommen werden, Essen und Quartier bekommen.

Während ich über das heutige Sonntagsevangelium nachdenken, bin ich mit 20 jungen und weniger jungen Männern des Wiener Priesterseminars auf unserer jährlichen Studien- und Ferienwoche in einem österreichischen Stift. Alle bereiten sich darauf vor, Priester zu werden. Auch sie haben, wie die Apostel, auf die eine oder andere Art erlebt, dass Jesus sie zu sich gerufen hat. Sie sind bereit, sich von ihm aussenden zu lassen. Die äußeren Rahmenbedingungen sehen sehr anders aus als zur Zeit der Apostel. Der Auftrag Jesu ist im Wesentlichen derselbe geblieben. Wie werden sie ihn verwirklichen? Werden sie Aufnahme finden? Müssen sie mit Ablehnung rechnen? Werden sie durch ihr Wirken Ähnliches erreichen wie die Ersten, die Jesus ausgesandt hat?

So anders die Zeiten heute sind, das „Grundmuster“ ist das gleiche geblieben. Es hat damit begonnen, dass Jesus einfach zwölf Männer angesprochen hat, mit ihm zu gehen, ihm nachzufolgen. Sie haben sich nicht darum beworben. Er hat sie ausgewählt. Nach welchen Kriterien? Warum gerade diese und nicht andere? Das frage ich mich auch bei unseren Seminaristen. Wie kam es, dass sie sich auf den Ruf Jesu eingelassen haben? Ihre Lebenswege sind sehr unterschiedlich. Gemeinsam ist nur, dass sie eine Berufung zu diesem Dienst gespürt haben. Sie müssen sich jetzt prüfen, ob es wirklich ihr Weg ist. So war es bei mir, vor vielen Jahren, als ich den Ruf spürte, Priester zu werden. Mich berührt es immer neu, zu erleben, dass Jesus in jeder Generation Menschen zu dieser Lebensform ruft.

Gewiss, die äußere Ausrüstung sieht heute anders aus. Wir sind nicht mehr zu Fuß unterwegs, haben ein Zuhause und eine finanzielle Basis, nicht üppig, aber ausreichend. Gleichgeblieben ist, was damals wie heute nur Jesus selber geben kann. Das Evangelium nennt es „Vollmacht“. Nicht um weltliche Macht geht es, sondern um die geistliche Kraft, Verstrickungen ins Böse zu lösen und Wunden zu heilen. Die Apostel hatten damals, in ihrer ersten Mission, einige Erfolge. Wie wird es denen gehen, die sich heute auf diesen Dienst vorbereiten? Damals wie heute hat Jesus nicht eine Elite um sich gesammelt. Doch damals wie heute wirkt Jesus durch eben diese Menschen. Die Woche mit unseren Seminaristen macht mich zuversichtlich. Wir brauchen kein schweres Gepäck für den Weg in die Zukunft. Das Evangelium, die gute Botschaft Jesu genügt.

 

 

 Quelle: Kardinal Christoph Schönborn, Wien
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