Gedanken zum Evangelium

Der Schlüssel zur Hoffnung

 

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium

vom 1. Dezember 2024

 

Immer öfter höre ich von jungen Menschen, dass sie keine Kinder haben wollen. Sie meinen, es sei nicht verantwortbar, in eine Welt, um die es so schlecht steht, Kinder zu setzen. Sie denken an die Zukunft und sehen schwarz für sie. Manche von ihnen bezeichnen sich als „Letzte Generation“. Sie protestieren mit medienwirksamen Aktionen gegen die Regierungen, die zu wenig gegen den Klimawandel unternehmen. Ich versuche, mich in ihre Haltung hineinzudenken. Die Aussichten für unsere Erde sind ja wirklich nicht rosig. Dennoch wünsche ich ihnen, die Zuversicht der Generation meiner Eltern zu haben. Mitten im Krieg und in der schweren Nachkriegszeit haben sie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft durch ihr Ja zu Kindern zum Ausdruck gebracht. Ihrer Zuversicht verdanke ich mein Leben.

 

Wie können wir heute neu zu einer Haltung der Hoffnung kommen? Denn mit einer „no future“-Einstellung gibt es tatsächlich keine lebbare Hoffnung. Der Advent ist die Zeit der Hoffnung. Die Geburt eines Kindes wird erwartet, und sei es nur, dass ein „Christkindlmarkt“ an das Kommen des Jesuskindes erinnert. Kein Gottesdienst des ganzen Jahres ist so gut besucht wie die „Kindermetten“ am Heiligen Abend. Weihnachten ist wie kein anderes Fest des Jahres das Fest für die Kinder und für die Erinnerung an die eigene Kinderzeit. Auf dieses Fest bereitet der Advent vor. Daher hat er seinen Namen. Es geht um das Kommen, das „advenire“ dieses Kindes.

 

Das Evangelium vom 1. Adventsonntag zeigt die Zukunft aufs Erste gesehen in schrecklichen Aussichten. Es könnte von heutigen jungen Menschen stammen: „Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen.“ Sie werden „ratlos und bestürzt“ sein über die dramatischen Ereignisse in der Natur. Das klingt wie die Ratlosigkeit über die zahlreichen Klimakonferenzen, die bei vielen ein Gefühl der Hilflosigkeit und Vergeblichkeit hinterlassen.

 

Jesus zeigt einen Weg aus der Resignation und der Mutlosigkeit. Statt den Kopf hängen zu lassen und zu verzagen, sollen wir genau das Gegenteil tun: „Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn eure Erlösung ist nahe.“ Ich kenne nur zu gut diese Erfahrung: Wenn mich etwas bedrückt, neige ich dazu, gebückt und geduckt zu gehen und den Kopf hängen zu lassen. Es tut leiblich und seelisch gut, sich in solchen Momenten bewusst aufzurichten mit einem „Kopf hoch!“ Es ist so wichtig, dass wir einander aufrichten, statt uns gegenseitig in die Untergangsstimmung hinunterzuziehen.

 

Die jungen Menschen, die keine Kinder in die Welt setzen wollen, fragen zu Recht: Woher soll Hoffnung kommen, wenn so wenig weitergeht mit einer nachhaltigen Sicherung unserer Zukunft? Ein bloßes „Kopf hoch!“ genügt ihnen verständlicherweise nicht. Es gibt ein sicheres Zeichen der Zuversicht. Unsere Eltern haben es gesetzt, indem sie uns das Leben geschenkt haben. Für sie waren wir ein Zeichen ihrer Hoffnung für die Zukunft. Damit haben sie zugleich Zukunft möglich gemacht, denn ohne Kinder gibt es keine Zukunft. Woher nahmen unsere Eltern das Vertrauen in die Zukunft, dass sie Leben weitergeben und so viel Zeit und Kraft und Liebe für unsere Erziehung fanden? Jesus nennt den Schlüssel für diese Zuversicht: „Wacht und betet allezeit!“ Wir haben die Zukunft letztlich nicht in der Hand. Ohne das Vertrauen, dass Gott uns nahe ist, geben wir die Zukunft aus der Hand. Wenn wir beten, legen wir sie bewusst und zuversichtlich in seine gute Hand. Das Gebet ist der Schlüssel zur Hoffnung.

 
 
 

 

 Quelle: Kardinal Christoph Schönborn, Wien
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