
Was mir Ostern bedeutet
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium
vom 20. April 2025
Heute feiern weltweit alle Christen das Osterfest. Selten fällt das Osterdatum in allen christlichen Kirchen auf denselben Tag. Heute begrüßen einander überall die orthodoxen Christen mit „Christus ist auferstanden“, was mit „Er ist wahrhaft auferstanden“ erwidert wird. „Der Heiland ist erstanden“ wird bei uns gesungen. Und überall, wo Christen feiern, wird das Halleluja gesungen, das während der Fastenzeit verstummt war. In der Nacht von gestern auf heute, in der Osternacht, haben an vielen Orten Erwachsene die Taufe empfangen, Menschen, die sich bewusst für den christlichen Glauben entschieden haben. Im sehr säkularen Frankreich waren es letztes Jahr 13.000. Die Zahlen sind europaweit steigend. Was bewegt Menschen, die meist ohne religiöse Zugehörigkeit waren, um die Taufe und somit um die Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen zu bitten? Zur Taufe gehört das Glaubensbekenntnis, das Credo. Dessen letzter Satz lautet: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“
Was ändert sich am Lebensgefühl, an der Lebenseinstellung, an der Lebensgestaltung, wenn ich an das ewige Leben glaube? Wie wirkt sich dieser Glaube praktisch aus, wenn ich nicht nur allgemein an ein Leben nach dem Tod glaube, sondern ausdrücklich an die leibliche Auferstehung der Toten? Anders gefragt: Was bedeutet für mich, dass Jesus wirklich nicht im Grab geblieben ist und seither als der Auferstandene lebt? Ändert sich an meinem Leben etwas, wenn ich glaube, dass auch ich auferstehen werde?
Alles hat sich grundlegend verändert im Leben der kleinen Schar von Menschen, die damals um Jesus getrauert haben. Mit seiner Beisetzung im Felsengrab nahe der Stätte der Kreuzigung wurden auch ihre Hoffnungen begraben. Alles sah anders aus an diesem „ersten Tag der Woche“, der später zum christlichen Sonntag wurde, zum wöchentlichen Ostern.
Maria aus Magdala war nicht nur die erste Zeugin, dass das Grab leer ist. Sie war auch die Erste, die ihm begegnen durfte und die Erste, die den anderen sagen konnte: „Ich habe den Herrn gesehen!“ Seither nennt die Kirche sie die „Apostolin der Apostel“. Was sie verkündet hat, ist die Grundbotschaft des Christentums.
Der Ostermorgen ist sozusagen die Initialzündung der christlichen Bewegung. Seit Maria von Magdala rissen die Zeugnisse über Erscheinungen des Auferstandenen nicht ab. Paulus listet eine ganze Serie auf. Von sich selber sagt er: „Ich habe den Herrn gesehen.“ Doch sind das ausreichende Beweise für heute? Eines ist sicher: Sie alle ersetzen nicht den eigenen Glauben.
„Glaubst du an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben?“ Ich stelle diese Frage vielen jungen Menschen bei der Firmung. Sie antworten dann brav mit Ja. Und ich mache es persönlich ebenso. Was ändert es an meinem Leben? Dass ich sterben werde, weiß ich, das muss ich nicht glauben. Was nach meinem Tod kommt, kann ich nur glauben. Aber dieser Glaube prägt und trägt mein Leben. Er hat mit Ostern zu tun. Wenn Jesus auferstanden ist, dann lebt er, nicht nur „im Himmel“. Er hat es versprochen: „Ich bin bei euch, alle Tage“, also hier und heute. Wo ist er zu finden, jetzt und bei uns? Auch das hat er gesagt: in allen Mitmenschen, die Not leiden. Denn „was ihr diesen getan habt, das habt ihr mir getan“. So kann ich jeden Tag dem Auferstandenen begegnen.
Quelle: Kardinal Christoph Schönborn, Wien