St. Martin – Die Geschichte

Künzing - Wallerdorf - Forsthart

St. Martin ist ein christliches Fest, das am 11. November gefeiert wird und an den heiligen Martin von Tours erinnert. Im Mittelpunkt steht die legendäre Geschichte der Mantelteilung.

Die Geschichte hinter dem Fest: Die Mantelteilung

Die zentrale Legende erzählt:
An einem kalten Wintertag traf Martin, ein römischer Soldat, vor den Toren der Stadt Amiens auf einen frierenden und unbekleideten Bettler. Da Martin außer seinen Waffen und seinem Militärmantel nichts bei sich hatte, teilte er mit seinem Schwert seinen Mantel in zwei Teile und gab eine Hälfte dem Armen. In der folgenden Nacht erschien ihm im Traum Christus, bekleidet mit dem halben Mantel, und sagte zu den Engeln: „Martin, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet.“ Diese Geschichte symbolisiert Nächstenliebe und Barmherzigkeit.

 

Wie wird St. Martin gefeiert?

Die Feierlichkeiten haben einen besinnlichen und einen fröhlichen Charakter. Typische Bräuche sind:

  1. Laternenumzug: Der bekannteste Brauch. Kinder (und oft auch Erwachsene) basteln oder kaufen bunte Laternen. Am Abend des 11. Novembers ziehen sie in einem Zug singend durch die Straßen. Angeführt wird der Zug meist von einem Reiter, der den heiligen Martin als römischen Soldaten auf einem Pferd darstellt.

  2. Martinslieder: Während des Umzugs werden traditionelle Lieder gesungen, wie „Ich geh‘ mit meiner Laterne“, „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ oder „St. Martin, St. Martin, St. Martin ritt durch Schnee und Wind“.

  3. Martinsfeuer: Am Ziel des Umzugs wird oft ein großes Feuer entzündet, um das sich alle versammeln.

  4. Martinsgebäck: Zum Fest gehören spezielle Gebäcke, vor allem der Weckmann (auch Stutenkerl genannt), eine Figur aus Hefeteig, oft mit einer Pfeife aus Ton. In einigen Regionen isst man auch Gänse (die Gans ist ein weiteres Symbol, das mit dem Leben des hl. Martin verbunden ist).

  5. Martinspiel: Oft wird die Geschichte von der Mantelteilung in einem kleinen Theaterstück oder einer Szene nachgespielt.

Der Zusammenhang mit dem 11.11. und dem Karneval

Der 11. November ist ein besonderes Datum mit zwei ganz unterschiedlichen Bedeutungen:

  • St. Martin: Ein besinnliches Lichterfest, das Nächstenliebe und Teilen in den Vordergrund stellt.

  • Karnevalsbeginn: Ein ausgelassenes, lautes Fest, das die „närrische Zeit“ einläutet.

Der gemeinsame Termin hat historische Gründe: Der 11. November war früher der Beginn einer 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten (ähnlich wie die Fastenzeit vor Ostern). An diesem Tag wurden vor dem Fasten noch einmal fette Speisen (daher der Name „Fettdonnerstag“ viel später) gegessen und Feste gefeiert. Aus diesem „letzten Feiern“ entwickelte sich in einigen Regionen der Brauch, die Karnevalssession zu beginnen, während in anderen Regionen der besinnliche Martinsbrauch erhalten blieb.

Zusammenfassung der Bedeutung

St. Martin ist vor allem ein Fest für Familien und Kinder, das Werte wie Teilen, Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit vermittelt. Die leuchtenden Laternen in der dunklen Jahreszeit sind ein starkes Symbol für Hoffnung, Wärme und Licht, das man mit anderen teilt.

Die Geschichte: Vom römischen Soldaten zum Nationalheiligen

Die Figur des Martin von Tours (ca. 316/317 – 397 n. Chr.) ist historisch belegt. Sein Leben ist der Ausgangspunkt für alle späteren Bräuche.

1. Das Leben des historischen Martin:

  • Römischer Soldat: Martin wurde als Sohn eines römischen Tribuns in Pannonien (im heutigen Ungarn) geboren und musste auf Wunsch seines Vaters in die Armee eintreten.

  • Taufe und Lebenswende: Die berühmte Mantelteilung wird als Schlüsselerlebnis auf seinem Weg zur Taufe gesehen. Kurz danach ließ er sich taufen und quittierte schließlich den Militärdienst.

  • Mönch und Bischof: Er wurde Schüler des berühmten Kirchenlehrers Hilarius von Poitiers und gründete in Frankreich eines der ersten Klöster des Abendlandes. Trotz seines bescheidenen Lebens wurde er 371 n. Chr. vom Volk zum Bischof von Tours gewählt.

  • Volkstümlicher Heiliger: Martin war als barmherziger, gütiger und wundertätiger Bischof bekannt. Seine Popularität nach seinem Tod war enorm, und er wurde einer der ersten Heiligen, der nicht als Märtyrer starb.

2. Die Legende der Mantelteilung:
Diese Geschichte (wie oben beschrieben) ist die zentrale Ikone der Nächstenliebe im Christentum. Sie machte Martin zum Symbol für Barmherzigkeit und konkretes Handeln. Der geteilte Mantel (cappa) wurde als nationale Reliquie der fränkischen Könige verehrt und der Aufbewahrungsort, die capella, gab der Kapelle ihren Namen.

3. Warum die Gans?
Auch um Martin ranken sich Legenden mit Gänsen:

  • Die versteckte Gans: Eine Legende besagt, dass Martin sich, bescheiden wie er war, in einem Gänsestall versteckte, um seiner Wahl zum Bischof zu entgehen. Die schnatternden Gänse verrieten ihn jedoch.

  • Die störrische Gans: Eine andere Version erzählt, dass Gänse in eine Kirche watschelten und seine Predigt unterbrachen, als er zum Bischof ernannt werden sollte.
    Historisch wahrscheinlicher ist, dass der Martinstag ein traditioneller Zinstag war, an dem Naturalabgaben fällig wurden – oft auch Gänse. Zudem ist der November die Zeit der Gänseschlachtung nach der Ernte.

 

Die Bräuche im Detail: Ursprung und Bedeutung

Die heutigen Bräuche haben tiefe Wurzeln und symbolischen Gehalt.

1. Laternenumzug (Lichterbrauch):

  • Ursprung: Das Licht der Laternen symbolisiert das Licht der Nächstenliebe, das Martin in die Welt gebracht hat – ähnlich wie er den Bettler mit dem Mantelstück „erwärmt“ hat. Es geht zurück auf heidnische Lichterumzüge zur Wintervertreibung, die von der Kirche umgedeutet und mit dem Martinstag verbunden wurden.

  • Durchführung: Der Umzug endet oft an einem zentralen Platz, wo das Martinsspiel aufgeführt wird und es einen Weckmann und heißen Punsch oder Kakao gibt.

2. Martinsspiel und Martinslieder:

  • Das Nachspielen der Mantelteilung macht die abstrakte Tugend der Barmherzigkeit für Kinder greifbar und einprägsam.

  • Die Lieder haben oft einen einfachen, eingängigen Text und Melodien, die die Gemeinschaft fördern und die Geschichte weitererzählen.

3. Das Martinsfeuer:
Dieser Brauch ist vor allem in ländlichen Regionen verbreitet. Das Feuer ist ein Symbol der Wärme und Gemeinschaft und ein Relikt aus vorchristlicher Zeit, das zur Mitte des November passt.

4. Das Martinsgebäck:

  • Der Weckmann (Stutenkerl): Die Figur mit der Tonpfeife stellt ursprünglich den Bischof St. Martin mit seinem Bischofsstab dar. Das Essen des Gebäcks ist ein Teil der Belohnung und des gemeinsamen Festes.

  • Die Martinsgans: Das traditionelle Essen am 11. November. Neben den legendären Gründen war es auch der letzte Termin, um vor der Weihnachtsfastenzeit eine „fette Speise“ zu genießen.

5. Heischebrauch („Schnörzen“):
In einigen Regionen ziehen Kinder nicht nur im Laternenumzug mit, sondern gehen von Haus zu Haus, singen Martinslieder und erhalten dafür Süßigkeiten, Obst oder Gebäck. Dieser Brauch (ähnlich wie Halloween) erinnert an die Armenspeisung und das „Betteln“ um Gaben.

Zusammenfassung der Entwicklung

St. Martin ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich Geschichte, christliche Legenden und vorchristliche Bräuche vermischt haben:

  1. Leben eines historischen Heiligen

  2. Überlagerung mit seiner zentralen Legende (Mantelteilung)

  3. Verknüpfung mit bestehenden heidnischen Bräuchen (Lichterumzüge, Feuer) zur Zeit des Winterbeginns

  4. Entwicklung zu einem volkstümlichen Familien- und Kinderfest, das zentrale menschliche Werte vermittelt.

Das Fest verbindet also auf einzigartige Weise Besinnlichkeit und Geselligkeit, Dunkelheit und Licht, Geschichte und lebendige Tradition.

Übersetzen »