
Ruhen in Freude
Zur Ars moriendi (lat. „Die Kunst des Sterbens“), der christlichen Vorbereitung auf einen guten Lebensabschluss, gehört unter anderem auch, sich Gedanken über die eigene Beerdigung zu machen – und zwar ganz ohne Angst oder Schrecken. Mehr dazu von Dompropst Dr. Michael Bär in seinem Impuls zum Sonntag.
„Einen schönen Platz habe ich mir ausgesucht für mein Grab“, erzählte mir lächelnd ein alter Mann, „auf der Südseite des Friedhofs mit einer wunderschönen Aussicht.“
Als Pfarrer habe ich schon oft mit Menschen über die Wünsche zu ihrer letzten Ruhestätte gesprochen. Viele wollen vor allem wieder vereint sein mit ihrem Ehepartner. Freilich gibt es immer weniger sogenannter Familiengräber. Die Mobilität hat die generationenübergreifenden Beziehungen aufgerissen und uralte Traditionen beendet.
Naturfriedhöfe sind beliebt. Wunderschön sind sie meist angelegt, wie Paradiesgärten. Im Buch Genesis, dem ersten Buch der Bibel heißt es dazu: „Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.“ Die Rückkehr ins verlorene Paradies ist eine Ur-Sehnsucht von uns Geschöpfen.
Viele denken selbstverständlich auch praktisch. Im Naturfriedhof muss sich niemand um die Grabpflege kümmern. Wer will schon der nächsten Generation Lasten aufbürden.
Die alten Friedhöfe leiden an der Veränderung der Bestattungskultur. Die Lücken werden immer größer. Eine Bestattung im Sarg ist selten geworden, die Urne ist eher die Regel. Bei Trauerbesuchen rate ich jedoch zu Urnenbestattungen in der geweihten Erde und erinnere dabei an den Bestattungsritus, in dem es heißt: „Von der Erde bist Du genommen und zur Erde kehrst Du zurück.“ Abgestellt zu werden in einer Urnenstele oder einer Urnenwand um dann doch irgendwann, wenn die Ruhezeit abgelaufen ist, irgendwo in der Erde zu verschwinden, das behagt mir nicht.
Ein anheimelnder Ort soll die Grabstätte sein. Viele kommen ja dorthin, um den Verstorbenen sozusagen zu besuchen, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Sie sollen schließlich gerne dorthin gehen. Im Friedhof meines Heimatdorfes habe ich einen festinstallierten Stuhl gesehen, den ein Witwer dort aufgestellt hat, um in aller Ruhe und bequem dort ein wenig zu verweilen. Ich denke, dass er täglich zu seiner verstorbenen Frau gekommen ist, ein wichtiger Ort in seinem Leben.
Das Grab ist ebenso eine Stätte des Gebetes, für ein Vaterunser oder ein freies Gebet. Das Grab ist ein Ort des Glaubens. Hoffe ich auf eine Auferstehung, auf einen Himmel, auf ein Wiedersehen mit meinen Lieben? Glaube ich an den auferstandenen Jesus Christus?
Meinen Ruheplatz in Erwartung der Auferstehung weiß ich schon. Es gehört ja zur ARS MORIENDI, zur „Kunst des Sterbens“, bereits zu Lebzeiten Vorkehrungen zu treffen, wo der Sarg oder die Urne bestattet werden soll. Einen schönen Platz habe ich mir ausgesucht.
Auch der Dichter Heinrich Heine hat sich dazu seine Gedanken gemacht:
„Wo wird einst des Wandermüden letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden? Unter Linden an dem Rhein?
Immerhin mich wird umgeben Gottes Himmel dort wie hier,
und als Totenlampen schweben nachts die Sterne über mir.“
Dompropst Dr. Michael Bär

