
MARIÄ HEIMSUCHUNG
Mariä Heimsuchung (lateinisch: Visitatio Mariae) ist ein christlicher Feiertag, der an den Besuch der Jungfrau Maria bei ihrer Cousine Elisabet erinnert, wie er im Lukas-Evangelium (Lukas 1,39-56) beschrieben wird.
Bedeutung und Wichtigkeit
Das Fest Mariä Heimsuchung erinnert an die bedeutsame Begegnung zweier schwangerer Frauen: Maria, die Jesus in sich trägt, und Elisabet, die mit Johannes dem Täufer schwanger ist. Diese Begegnung ist aus mehreren Gründen wichtig:
- Erkennung Jesu: Als Maria Elisabet grüßt, hüpft Johannes der Täufer in Elisabets Leib und signalisiert damit seine Erkenntnis des Messias noch vor seiner Geburt.
- Marias Magnificat: Als Antwort auf Elisabets Segen spricht Maria das Magnificat (Lukas 1,46-55), einen wunderschönen Lobgesang auf Gott, der ein zentraler Bestandteil der christlichen Liturgie ist.
- Voraussage der Zukunft: Die Begegnung nimmt die spätere Begegnung zwischen Jesus und Johannes dem Täufer vorweg, der den Weg für den Herrn bereiten sollte.
- Akt der Nächstenliebe: Sie hebt Marias selbstlosen Akt der Nächstenliebe hervor, indem sie reiste, um ihrer älteren, schwangeren Cousine zu helfen.
Wann wird Mariä Heimsuchung gefeiert?
Das Datum der Feier von Mariä Heimsuchung variiert:
- Katholische Kirche (Allgemeiner Römischer Kalender): In der katholischen Kirche wird Mariä Heimsuchung am 31. Mai gefeiert. Dieses Datum wurde in den 1960er Jahren verschoben, um eine chronologisch sinnvollere Abfolge mit anderen Marienfesten (Verkündigung des Herrn am 25. März, gefolgt von der Heimsuchung vor der Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni) zu schaffen.
- Deutschsprachige Länder (und einige andere): Viele Orte, insbesondere in Deutschland, feiern das Fest weiterhin am 2. Juli. Dieses frühere Datum wurde traditionell nach der Oktav der Geburt Johannes des Täufers festgelegt.
- Orthodoxe Kirchen: Dort wird es um den 30. März gefeiert.
- Lutherische und einige anglikanische Kirchen: Beobachten es oft am 2. Juli.
Weltweit sind viele Kirchen, Kapellen und Basiliken Mariä Heimsuchung geweiht und tragen Namen wie „Kirche Mariä Heimsuchung“ oder ähnliche Bezeichnungen.
Die Geschichte hinter dem Fest
Die biblische Grundlage für Mariä Heimsuchung findet sich im Lukas-Evangelium, Kapitel 1, Verse 39-56. Nachdem der Engel Gabriel Maria verkündet hat, dass sie durch den Heiligen Geist einen Sohn gebären wird, erfährt Maria auch, dass ihre Verwandte Elisabet in ihrem hohen Alter ebenfalls schwanger ist. Maria macht sich daraufhin auf den Weg „eilends in das Gebirge, in eine Stadt Judas“ (Lukas 1,39), um Elisabet beizustehen.
Bei ihrer Ankunft ereignet sich ein Wunder:
- Johannes der Täufer hüpft im Mutterleib: Als Elisabet Marias Gruß hört, „hüpfte das Kind in ihrem Leibe“ (Lukas 1,41). Dies wird als ein Zeichen der Freude und der Erkennung Jesu durch Johannes noch vor deren Geburt interpretiert.
- Elisabets Prophezeiung: Erfüllt vom Heiligen Geist, ruft Elisabet aus: „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Und warum geschieht mir dies, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als die Stimme deines Grußes in meine Ohren drang, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig ist, die geglaubt hat; denn es wird vollendet werden, was ihr vom Herrn gesagt ist.“ (Lukas 1,42-45)
- Marias Magnificat: Maria antwortet darauf mit dem Magnificat, einem der bekanntesten Lobgesänge des Neuen Testaments (Lukas 1,46-55). Darin preist sie Gott für seine Größe, seine Barmherzigkeit und seinen Heilsplan, der sich nun in ihr erfüllt. Das Magnificat ist ein zentraler Bestandteil des Stundengebets in der katholischen und evangelischen Kirche und wird oft bei Vespern gesungen.
Maria bleibt etwa drei Monate bei Elisabet und kehrt dann nach Hause zurück.
Mariä Heimsuchung in Deutschland
In Deutschland hat das Fest Mariä Heimsuchung eine lange Tradition, die oft mit dem 2. Juli verbunden ist. Viele Pfarreien, Wallfahrtsorte und Kirchen sind bis heute diesem Datum treu geblieben, auch wenn der allgemeine römisch-katholische Kalender das Fest auf den 31. Mai vorverlegt hat.
- Wallfahrten: Historisch waren und sind Wallfahrten zu Mariä Heimsuchung in Deutschland sehr verbreitet. Zahlreiche Marienwallfahrtsorte feierten und feiern diesen Tag als besonderen Höhepunkt im Kirchenjahr. Der Besuch der Gottesmutter bei Elisabet wird hier oft als Vorbild für die Pilgerreise und die Begegnung im Glauben verstanden.
- Volksfrömmigkeit: Das Fest ist tief in der Volksfrömmigkeit verwurzelt. Es wird oft mit Segnungen von Feldfrüchten oder speziellen Prozessionen verbunden, da der 2. Juli in vielen Regionen in die Zeit des Sommeranfangs und der Erntevorbereitung fällt.
- Patrozinien: Viele Kirchen sind der Mariä Heimsuchung geweiht (Patrozinium). Ihr Kirchenfest fällt dann auf das jeweilige Datum, das in der Diözese oder Pfarrei für die Heimsuchung beibehalten wird.
Die unterschiedliche Datierung (31. Mai vs. 2. Juli) führt manchmal zu Verwirrung, aber in Deutschland halten sich viele Gemeinden bewusst an die längere Tradition des 2. Juli, um die historische und kulturelle Bedeutung des Festes zu bewahren.
Der 2. Juli: Ein traditionsreiches Datum
Wie bereits erwähnt, ist der 2. Juli das historisch gewachsene Datum für Mariä Heimsuchung in vielen Regionen, besonders in Deutschland. Ursprünglich war der 2. Juli strategisch gewählt: Er liegt acht Tage nach dem Hochfest der Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni. Diese chronologische Anordnung im liturgischen Kalender sollte die biblische Reihenfolge widerspiegeln, denn Marias Besuch bei Elisabet (die Schwangerschaft mit Johannes) findet vor der Geburt Johannes‘ statt. Nach der Reform des römischen Generalkalenders im Jahr 1969 wurde das Fest auf den 31. Mai vorverlegt, um es näher an das Fest Mariä Verkündigung (25. März) und somit in eine logischere Abfolge innerhalb der Heilsgeschichte zu bringen.
Trotz dieser Verlegung hat der 2. Juli in vielen deutschsprachigen Diözesen und Gemeinden seine Bedeutung als eigener Gedenktag bewahrt. Oft wird er als Hochfest oder Fest dritter Klasse gefeiert, was seine lokale Wichtigkeit unterstreicht.
Kulturelle und regionale Besonderheiten
In vielen ländlichen Regionen, besonders in Bayern, aber auch in anderen Teilen Deutschlands, Österreichs und Südtirols, ist Mariä Heimsuchung am 2. Juli tief in den Jahreskreis und das Brauchtum eingebettet:
- Bauernregeln: Der Tag ist oft mit Bauernregeln verbunden, die sich auf Wetter und Ernte beziehen. Zum Beispiel: „Mariä Heimsuchung schön und klar, verheißt ein gutes Erntejahr.“ Oder: „Ist’s an Mariä Heimsuchung heiß, gibt’s viel Korn und wenig Reis.“ (Wobei „Reis“ hier oft für mindere Getreidesorten oder Unkraut steht.)
- Wetterbedeutung: Der 2. Juli wird manchmal auch als „Wetterentscheidungstag“ für den Sommer gesehen.
- Kräuterweihe und Prozessionen: In manchen Gegenden finden am oder um den 2. Juli Kräutersegnungen statt, ähnlich wie an Mariä Himmelfahrt im August. Mancherorts gibt es auch spezielle Prozessionen oder Wallfahrten, die sich konkret auf dieses Fest beziehen.
- Orts- und Kirchenpatrozinien: Viele Kirchen, Kapellen und Orte sind Mariä Heimsuchung geweiht. Ihr jährliches Kirchweihfest oder Patrozinium fällt dann auf den 2. Juli, was oft mit besonderen Gottesdiensten, Festlichkeiten und Zusammenkünften verbunden ist. Dies stärkt die lokale Identität und das Gemeinschaftsgefühl.
Die Beibehaltung des 2. Juli als Festtag ist somit nicht nur eine Frage der Liturgie, sondern auch ein Ausdruck regionaler Identität, traditioneller Frömmigkeit und kultureller Verwurzelung. Es zeigt, wie Glauben und Alltag in vielen Gegenden untrennbar miteinander verbunden sind.
Theologische Bedeutung und Ökumenische Aspekte
Das Fest Mariä Heimsuchung ist weit mehr als nur die Erinnerung an eine freundliche Familienbegegnung; es birgt tiefe theologische Botschaften und hat auch Relevanz für den Dialog zwischen den Konfessionen.
Theologische Dimensionen:
- Die erste Begegnung Jesu und Johannes‘ des Täufers: Dies ist das zentrale theologische Ereignis. Johannes, noch im Mutterleib, erkennt den Herrn. Dies wird oft als die erste Prophetie des Johannes über Jesus gedeutet. Er erfüllt schon hier seine Sendung als „Wegbereiter des Herrn“, indem er auf Jesus hinweist, noch bevor dieser geboren ist. Es zeigt auch, dass Gottes Heilswirken bereits im Mutterleib beginnt.
- Marias Rolle als „Gottesgebärerin“ und „Trägerin des Heils“: Marias Besuch bei Elisabet unterstreicht ihre einzigartige Rolle im Heilsplan Gottes. Sie bringt nicht nur Jesus körperlich, sondern auch geistlich zu Elisabet und Johannes. Sie wird zur Arche des Neuen Bundes, die die Gegenwart Gottes in sich trägt und weitergibt. Die Freude Elisabets und Johannes‘ ist eine direkte Folge von Marias Anwesenheit.
- Die Bedeutung des Magnificat: Das Magnificat (Lukas 1,46–55) ist ein theologisches Meisterwerk. Es ist nicht nur ein Lobgesang Marias, sondern auch eine prophetische Rede über Gottes Gerechtigkeit, seine Barmherzigkeit und die Umkehrung der Verhältnisse: die Erniedrigung der Stolzen und Mächtigen und die Erhöhung der Demütigen und Armen. Es ist ein Lied der Befreiung und der Hoffnung, das bis heute weltweit gesungen wird.
- Nächstenliebe und Dienst: Marias Reise zu Elisabet ist ein konkretes Beispiel für Nächstenliebe und Dienst am Nächsten. Obwohl sie selbst frisch schwanger ist und eine lange Reise auf sich nimmt, geht sie, um ihrer älteren Cousine beizustehen. Dies wird als Vorbild für die christliche Tat der Barmherzigkeit gesehen.
Ökumenische Perspektiven:
Obwohl das Fest Mariä Heimsuchung primär im katholischen und orthodoxen Kalender verankert ist, hat es auch eine ökumenische Relevanz:
- Gemeinsame biblische Grundlage: Die Geschichte der Heimsuchung ist Teil des Lukas-Evangeliums, das von allen christlichen Konfessionen als Heilige Schrift anerkannt wird. Der theologische Gehalt – die Menschwerdung Christi, die Rolle Johannes‘ des Täufers – ist eine gemeinsame Basis des Glaubens.
- Wertschätzung Marias: Auch wenn die Marienverehrung in den verschiedenen Konfessionen unterschiedlich ausgeprägt ist, wird die Person Marias als Mutter Jesu und als glaubende Frau in den meisten christlichen Kirchen hoch geschätzt. Die Heimsuchung zeigt Maria in einer sehr menschlichen und gleichzeitig zutiefst gläubigen Haltung.
- Das Magnificat als verbindendes Element: Das Magnificat ist in vielen evangelischen Gesangbüchern enthalten und wird in der Liturgie genutzt. Es ist ein kraftvoller biblischer Text, der die sozialen und gerechten Aspekte des Glaubens betont und somit über konfessionelle Grenzen hinweg als inspirierende Botschaft dient.
Das Fest Mariä Heimsuchung lädt somit nicht nur zur Verehrung Marias ein, sondern auch zur Reflexion über die Anfänge der Heilsgeschichte, die Rolle der Boten Gottes und die Bedeutung von Nächstenliebe im Alltag.
Mariä Heimsuchung in der Kunst
Die Begegnung zwischen Maria und Elisabet ist seit dem frühen Christentum ein beliebtes Motiv in der Kunst, da sie eine tiefe emotionale und theologische Bedeutung trägt. Man findet Darstellungen in Fresken, Gemälden, Skulpturen und Glasmalereien:
- Frühchristliche und Byzantinische Kunst: Hier stehen oft die symbolische Bedeutung und die theologische Aussage im Vordergrund. Die Figuren wirken statisch, die Szene ist oft von einer gewissen Feierlichkeit geprägt.
- Romanik und Gotik: In diesen Epochen wird die menschliche Geste bedeutsamer. Maria und Elisabet umarmen sich oft, ihre Bäuche berühren sich manchmal leicht, um auf die ungeborenen Kinder hinzuweisen. Johannes der Täufer wird manchmal schematisch im Schoß Elisabets angedeutet. Die Darstellung ist oft erhaben und würdevoll.
- Renaissance: Künstler wie Giotto, Fra Angelico, Raffael oder Pontormo schufen ikonische Darstellungen der Heimsuchung. Hier liegt der Fokus auf der Natürlichkeit der Figuren, ihrer Mimik und Gestik. Oft ist die Szene in eine idyllische Landschaft eingebettet, und es werden begleitende Figuren wie der heilige Zacharias (Elisabets Ehemann) oder weibliche Begleiterinnen Marias dargestellt. Die emotionale Tiefe der Begegnung, die Freude und die Demut, treten deutlich hervor.
- Barock: In dieser Epoche wird die Dramatik und Bewegung betont. Die Figuren sind oft dynamisch, die Szene lebendig und gefühlvoll inszeniert, oft mit üppigen Gewändern und dramatischem Licht.
- Moderne Kunst: Auch in der modernen und zeitgenössischen Kunst findet das Motiv der Heimsuchung immer wieder neue Interpretationen, die die zeitlose Botschaft von Begegnung, Hoffnung und Gottes Wirken aufgreifen.
Besonders hervorzuheben ist die Darstellung des „Hüpfens“ des Johannes im Mutterleib. Einige Künstler visualisieren dies durch einen Lichtstrahl, der von Maria oder ihrem Leib ausgeht und auf Elisabet oder ihren Bauch trifft, um die geistliche Erleuchtung des Täufers zu symbolisieren.
Mariä Heimsuchung in der Musik
Auch die Musik hat das Fest Mariä Heimsuchung vielfach aufgegriffen, wobei das Magnificat (Marias Lobgesang) die mit Abstand prominenteste Vertonung darstellt:
- Das Magnificat als eigenständiges Werk: Unzählige Komponisten haben das Magnificat vertont, von einfachen Chorälen bis zu komplexen Oratorien und Kantaten. Zu den bekanntesten Vertonungen zählen die von Johann Sebastian Bach (sein „Magnificat in D-Dur“ ist ein Meisterwerk des Barock), Claudio Monteverdi, Giovanni Pierluigi da Palestrina und in neuerer Zeit auch von Komponisten wie Arvo Pärt. Diese Vertonungen sind oft fester Bestandteil des Repertoires von Kirchenchören und Konzerten weltweit.
- Antiphonen und Hymnen: In der katholischen Liturgie gibt es spezielle Antiphonen (Wechselgesänge) und Hymnen, die für das Fest Mariä Heimsuchung vorgesehen sind und die biblische Erzählung und die theologische Bedeutung aufgreifen.
- Volkslieder und geistliche Lieder: In der Volksfrömmigkeit gibt es auch eine Reihe von Marienliedern, die speziell das Ereignis der Heimsuchung thematisieren und oft in regionalen Dialekten oder in traditionellen Weisen gesungen werden.
Die Kunst und Musik bieten uns also nicht nur ästhetischen Genuss, sondern auch einen tieferen Zugang zur Geschichte und zur Botschaft von Mariä Heimsuchung. Sie machen die biblische Erzählung auf eine sinnliche Weise erfahrbar und tragen dazu bei, die theologische Tiefe des Festes zu vermitteln.